Das geistliche Wort im Mai
Haben wir ihn nicht ernst genommen? Alte Gewissheiten gelten nicht mehr. Die Bundesrepublik liefert erstmals Waffen in Kriegsgebiete. Die Einführung der Wehrpflicht wird wieder diskutiert. Wie 1939 ist eine Appeasementpolitik gescheitert. Diktatoren scheinen nur Gewalt zu verstehen.
Putins Krieg hat auch Auswirkungen auf die Ökumene. Römisch-katholische und evangelische Kirchen und die ukrainisch-orthodoxe Kirche (anerkannt vom Patriarchat von Konstantinopel) stehen auf Seiten des ukrainischen Volkes und fordern Putin auf, den Krieg und das Leid zu beenden. Die russisch-orthodoxe Kirche (Patriarchat von Moskau) unterstützt dagegen diesen Angriff zur „Verteidigung wahrer christlicher Werte“. Als Beispiel des Werteverfalls führt Patriarch Kyrill I. die Gay Pride Paraden und die (west-)europäischen Ambitionen der ukrainischen Gesellschaft in den letzten Jahren an.
Kyrill und Putin wollen wieder eine enge Bindung von „Thron und Altar“, die Europa weit hinter sich gelassen hat. Dieser Kulturkampf findet jetzt genau auf dem Territorium der Ukraine statt. Es gibt inzwischen auch Stimmen aus dem Ökumenischen Weltkirchenrat (ein Zusammenschluss orthodoxer und evangelischer Kirchen) die russisch-orthodoxe Kirche auszuschließen. Putins Krieg zerstört somit auch die ökumenischen Bestrebungen der Kirchen seit dem Zweiten Weltkrieg.
Wir erfahren in diesen Tagen, dass die Verteidigung unserer Freiheit ihren Preis hat. Das Motto der Friedensbewegung: „Frieden schaffen ohne Waffen“ scheint heute wie aus einer anderen Welt zu stammen, die wohl endgültig zu Ende ist. „Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor“ ist das Motto dieser Tage. Leider keine guten Aussichten für Pazifisten.
Trotzdem bleiben die Visionen wichtig, von einer friedvollen Welt zu träumen wie John Lennon vor 50 Jahren: „Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer, aber ich bin nicht der Einzige. Ich hoffe, eines Tages wirst auch du einer von uns sein, und die ganze Welt wird eins sein.“(Ausschnitt aus dem Song „Imagine“)